Lage. Langsam rollt ein voll beladener Rübenlaster auf dem Gelände der Lagenser Zuckerfabrik im Rückwärtsgang an eine im Boden eingelassene Mulde heran. Als er den Rand erreicht, stoppt der Fahrer seinen 40-Tonner, öffnet die Hinterklappe des Anhängers und fährt eine Seite zum Abladen in die Höhe. Mit einem lauten Rumpeln kullern die Zuckerrüben in die Mulde, in deren Mitte ein großes Gummiförderband die Feldfrüchte nacheinander gen Verarbeitung befördert. „Und los geht die Zuckergewinnung“, sagt Dr. Stefan Brinker, Regionalleiter der landwirtschaftlichen Abteilung der Lagenser Zuckerfabrik, zur Landtagsabgeordneten Ellen Stock.
Die Sozialdemokratin aus Lage ist an diesem Tag auf dem Werksgelände zu Gast, das seit Ende des 19. Jahrhunderts das Stadtbild prägt – und durch die Lage auch „Zuckerstadt“ genannt wird. Seit 1986 gehört das Werk zum Traditionsunternehmen Pfeifer & Langen.
Im vergangenen Jahr hatte sich Stock über die Herausforderungen und die Logistik informiert, mit der die Landwirte die Rübenernte und den Abtransport meistern. Nun möchte sie sich vor Ort einen Eindruck über die Verarbeitung der Rübe verschaffen und bekommt von Dr. Brinker und Martin Corbach, technischer Leiter der Zuckerfabrik Lage, sowie André Kiepe, kaufmännischer Leiter, eine Führung und zahlreiche Informationen rund um die Fabrik – beziehungsweise über die Zuckergewinnung. „Die eigentliche Zuckerfabrik steht auf dem Feld“, erklärt Dr. Brinker der Abgeordneten. „Das was wir hier machen, ist, mit verschiedenen Verfahren den Zucker aus der Rübe herauszuholen.“ Und das geschieht seit Jahrzehnten im Herbst und Winter in der sogenannten Rübenkampagne, die im Oktober beginnt und meist im Januar endet. „Inzwischen sind wir in der 138. Kampagne“, berichtet Brinker. Jeden Tag laufe dann die Fabrik – rund um die Uhr. Wie ein ruhig und gut getaktetes Uhrwerk greife dann alles ineinander: vom Transport und der Belieferung der Fabrik, über die Verarbeitung bis hin zur Abholung des Zuckers oder der bei der Verarbeitung anfallenden Rübenschnitzel, die als Tierfutter genutzt werden.
Die Zahlen sind beeindruckend: Etwa 9.300 Tonnen Rüben werden pro Tag in der Lagenser Fabrik verarbeitet. Etwa 1.000 Landwirte aus Ostwestfalen-Lippe und den angrenzenden Regionen liefern ihre Rüben – meist in Abfuhr- und Transportgemeinschaften – gen „Zuckerstadt“. Zu den 96 Stammkräften des Werks gesellen sich während der Saison 44 Kampagnen-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Viele seien seit Jahren dabei und kommen gerne in Herbst und Winter wieder, berichtet André Kiepe. „Und viele schätzen auch die tarifliche Bezahlung“, erklärt Corbach. „Leider ist so etwas heutzutage nicht mehr selbstverständlich und absolut lobenswert, wenn Unternehmen Tariflöhne zahlen“, sagt Stock.
Bei der Führung über das Werksgelände und durch die Fabrik lernt Stock die unterschiedlichen Stationen der Rübenverarbeitung kennen. Eine Station ist dabei der Leitstand, der auf dem neuesten Stand der Technik ist. Auf diversen Monitoren und verschiedenen Rechnern überwachen die Experten und Fachleute die einzelnen Maschinen und Produktionsschritte – und sehen sofort, wenn sie nachsteuern und eingreifen müssen. Aufmerksam und gespannt hört sie den Schilderungen ihrer Gesprächspartner zu und stellt immer wieder Zwischenfragen.
Die Zuckerfabrik habe nicht nur für Lippe, sondern über die Region hinaus eine hohe Bedeutung und sei wichtig für die heimische Wirtschaft. Viel habe sich in den vergangenen Jahren in Sachen Lautstärke und Geruch durch den Einsatz von Pfeifer & Langen getan. „Das ist längst nicht mehr so, wie es vor Jahrzehnten mal war“, sagt Stock anerkennend. „Das Werk hat einen hohen Stellenwert bei den Lipperinnen und Lippern, das nehme ich bei vielen Gesprächen mit“, sagt Stock. „Beeindruckend finde ich, dass nicht nur die Zuckerrübe zu 100 Prozent verwertet wird, sondern auch im Produktionsverlauf nahezu alles wieder- beziehungsweise mehrfach genutzt wird. Das ist wirklich nachhaltig und steht für regionale Wertschöpfung. Das bewusster in die Bevölkerung hineinzutragen, ist auch Aufgabe von uns Politikerinnen und Politikern“, sagt Stock.