Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Viele Millionen Menschen sind aufgrund des Kriegs mittlerweile aus der Ukraine geflohen; zahlreiche haben in Europa Schutz erhalten. Die meisten retteten sich in angrenzende Länder wie beispielsweise Polen, Ungarn oder Rumänien.
Viele kamen auch hier zu uns nach Deutschland. Dabei sind es vor allem Frauen und Kinder, die das Land verlassen haben. Rund eine Millionen Menschen aus der Ukraine suchten seit Februar hier eine sichere Zuflucht. Und diese muss ihnen auch geboten werden. Für uns ist es keine Frage, sondern unsere humanitäre Pflicht, diesen Menschen Schutz zu geben.
Auch aus anderen Krisengebieten wie Afghanistan, Syrien und dem Iran kommen wieder vermehrt Menschen zu uns; für den Winter werden noch weitere erwartet. Sie alle müssen untergebracht und versorgt werden. Und während der Bund seinen Aufgaben in dieser Hinsicht vorbildlich nachkommt, bietet die Landesregierung hier in NRW ein Bild des blanken Chaos.
Darunter leiden – wieder einmal – die Kommunen. Sie organisieren mit viel Kreativität und Engagement vor Ort die Versorgung der Geflüchteten. Dafür möchte ich allen haupt- und ehrenamtlich Tätigen hier an dieser Stelle ausdrücklich danken!
Die Kommunen und die Menschen vor Ort tun dies trotz der widrigen Umstände, die ihnen seitens der Landesregierung zugemutet werden. Und sie beklagen zurecht die mangelnde Unterstützung, denn sie sind mit ihren Kräften völlig am Ende – in jeder Hinsicht.
Schon seit dem Sommer schlagen die Städte und Gemeinden Alarm und erflehen dringend Hilfe. Die Rufe werden immer lauter, zahlreicher und dringlicher. Denn insgesamt ist es um die Leistung des Landes bei der Organisation der ankommenden Geflüchteten gar nicht gut bestellt.
Vor allem in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Bochum ist die Situation dramatisch. Täglich kommen dort zwischen 15 und 25 unbegleitete Minderjährige an. Hier muss das Verfahren dringend auf weitere Städte ausgeweitet werden, um Bochum zu entlasten.
Hinzu kommt: Händeringend werden Unterkünfte gesucht – und das Land stellt in seinen eigenen Einrichtungen nicht einmal halb so viele Plätze bereit wie im Herbst 2015. Mittlerweile bittet der Städte- und Gemeindebund in Eigenregie die Kommunen in einer Umfrage um Angaben zur Belegung von Turnhallen und ähnlichen Einrichtungen, um einen Überblick für seine weitere Arbeit zu erhalten. Dadurch wird klar:
- es fehlt eine Organisationsstruktur und eine Ressortabstimmung – Krisenstäbe, ein Flüchtlingskabinett, um die Herausforderungen vernünftig zu bewältigen und zu organisieren,
- es fehlt eine verlässliche Kommunikation mit klaren Entscheidungswegen,
- und vor allem: es fehlen glaubwürdige Zahlen, ein wöchentlich aktuelles Lagebild, an dem sich die Steuerung der Situation ausrichten kann. Diese Zahlen gab es in 2015 wöchentlich und sie waren eine große Hilfe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
um ehrlich zu sein, ich bin entsetzt.
Nach allem, was wir in den vergangenen Jahren von den Kolleginnen und Kollegen der Grünen im Integrationsbereich hier so Hoffungsvolles hören durften, hatte ich wirklich deutlich mehr von deren Regierungsbeteiligung erwartet.
Die Grünen haben die Politik der Landesregierung zwischen 2017 und 2022 scharf kritisiert. Frei nach dem Motto: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, werden sie jetzt ihren eigenen Ansprüchen von damals nicht gerecht. Dass hier nun die SPD-Fraktion mit einem Antrag herkommen muss, um Ihnen zu sagen, wie man es richtig macht, sollte den Grünen wirklich peinlich sein.
Überhaupt erscheint es mir, als wenn die neue Landesregierung sich nicht nur mit der Regierungsbildung ungeheuer viel Zeit gelassen hätte, sondern auch mit dem Regieren noch gar nicht so richtig angefangen hat. Wann werden denn wenigstens die dringlichsten Probleme endlich angepackt?
Machen wir es kurz: Wir dürfen die Kommunen nicht weiter im Regen stehen lassen und fordern die Landesregierung auf, endlich tätig zu werden. Wir wollen, dass das Chaos sofort beendet wird und eine vernünftige Organisation und Koordination an dessen Stelle tritt.
Wir fordern
- Mehr Kapazitäten und den Ausbau der Landeseinrichtungen,
- verlässliche Prognosen für die Kommunen,
- geregelte Einbindung aller beteiligten Akteure
- und ein wöchentliches Lagebild, das allseits zur Verfügung gestellt wird.
Wir sind es wirklich leid, uns diesen verantwortungslosen Blindflug anzugucken. Die Menschen, die hier nach NRW kommen haben Hilfe, Unterstützung und Menschenwürde verdient. Und die Kommunen haben Respekt und Beistand von ihrer Landesregierung verdient.