Wenn Peter-Eric Froböse von der Rübenmaus spricht, dann denkt der Landwirt nicht an ein kleines Nagetier, das an einer Feldfrucht knabbert und so seinen Hunger stillt. Im Gegenteil. „Rübenmaus“ ist der Name einer ziemlich imposanten Maschine, mit deren Hilfe innerhalb von Minuten am Feldesrand gestapelte Zuckerrübenberge auf Lastwagen verladen werden. Und genau das geschieht an diesem nieseligen Vormittag an einem Acker nördlich von Bad Salzuflen.
„Gleich werden wir sehen, wie sich die Rübenmaus ausklappt und mit der Verladung beginnt“, sagt Peter-Eric Froböse zur SPD-Landtagsabgeordneten Ellen Stock. Die lässt sich an diesem Tag jeden einzelnen Schritt der Zucker(rüben)produktion erläutern – vom Anbau über die Ernte bis hin zum Abtransport und zur Verarbeitung in der Zuckerrübenfabrik in Lage. „Als waschechte Lipperin und Lagenser Urgestein weiß ich seit meiner Kindheit, welch große Bedeutung die Zuckerrübenproduktion für uns in Lippe hat“, erklärt Stock. Einige Abläufe der Produktion seien ihr natürlich bekannt, aber längst nicht alle. Deshalb trifft sie sich an diesem Vormittag mit Peter-Eric Froböse, der sie in sämtliche Herausforderungen einweiht, die die Rübenbauern bewältigen müssen.
13.000 Hektar, 1060 Landwirte, ein Verband
„Jetzt fährt die Maus mit ihrem Verladetisch an die Rüben heran“, erklärt Froböse, als sich die großen Walzen an der Spitze der „Rübenmaus“ zu drehen beginnen. Langsam „frisst“ sich die gewaltige Maschine vorwärts durch den Rübenhaufen. „Miete“ nennen die Landwirten diese Lagerflächen für die geernteten Feldfrüchte. Immer mehr Rüben kullern über die sich drehenden Walzen und werden von der nimmersatten Maus „verschluckt“, ehe sie dank eines langen Förderarms direkt auf die Ladefläche eines am Straßenrand wartenden Lkw aufgeladen werden.
„25 Tonnen passen auf so einen Lastwagen. Das ganze dauert nur wenige Minuten“, sagt Froböse. Der Landwirt aus Pottenhausen kennt sich bestens aus. Er ist nicht nur selbst Rübenbauer, sondern auch seit mehreren Jahren Vorsitzender des Verbandes der Rübenbauern im Lippe-Weser-Raum – ein Zusammenschluss von 1.060 Landwirten mit einer Anbaufläche von rund 13.000 Hektar. Der Verband vertritt die Interessen seiner Mitglieder – und handelt außerdem die Preise mit der Firma Pfeifer & Langen aus, der Betreiberin der Zuckerrübenfabrik in Lage, die den Landwirten die benötigten Feldfrüchte abkauft.
Partnerschaft auf Augenhöhe
Mit der Fabrik „vor der Haustür“, haben Rübenanbau und Zuckerproduktion in Lippe eine lange Tradition, berichtet Froböse aus der Geschichte. „Dabei war die Zuckerqualität der hiesigen Rüben sowie die Infrastruktur bis in die 80er Jahre hinein eigentlich nicht besonders gut“, sagt der Landwirt. Das habe sich erst geändert, als Pfeifer & Langen die Fabrik gekauft und die hiesigen Rübenbauern angefangen hätten, sich zu organisieren. Allein durch besseres Management und optimierte Anbaubedingungen seien Zuckerqualität und Effizienz um ein Vielfaches gestiegen, erklärt Froböse. Heute pflegten sein Verband und die Fabrik eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“. Der Erhalt der Fabrik sei nicht nur für das Betreiberunternehmen, sondern auch für die Landwirte und die Region wichtig. „Erhalt bedeutet Wertschöpfung für Lippe und die gesamte Region“, sagt Froböse. „Was wir Landwirte einnehmen, investieren wir ja wieder. Davon profitieren alle.“
24 Stunden täglich werden Rüben abtransportiert, auch bei Eis und Schnee
Kurz nachdem die „Maus“ ihre Arbeit begonnen hat, ist der erste Lkw voll beladen und macht sich auf den Weg zur Fabrik. Nun rollt der nächste Lastwagen vor, um von der „Rübenmaus“ befüllt zu werden. „Die Lkw fahren während der Kampagne immer versetzt, damit möglichst wenig Wartezeiten beim Be- und Entladen entstehen“, berichtet Froböse, der auch Chef der „Lippe-Maus eG“ ist. Die kümmert sich mit 18 Fahrern und zwei „Rübenmäusen“ während der Kampagne um den Transport der Feldfrüchte – und das 24 Stunden täglich. Nachts bei starkem Regen oder Schnee und Eis sei diese Arbeit besonders anspruchsvoll. „Das ist für die Fahrer schon sehr herausfordernd“, sagt Froböse, der selbst immer mal wieder Rübentouren fährt. Aber die Landwirte hätten während der Kampagne keine andere Wahl. „Wenn die Fabrik läuft, dann muss sie ständig mit Rüben beliefert werden. Stillstand kann sich keiner erlauben“, sagt Froböse.
Rübenmaus, Lkw und Fabrik sind digital vernetzt
Beim Transport, Verladen und der Ernte nutzen die Landwirte modernste digitale Technik. Alle Mietenplätze auf sämtlichen Feldern seinen zuvor festgelegt und in digitalen Karten hinterlegt worden. Per Navi und GPS werden die Lkw-Fahrer zu den Verladeplätzen gelotst. Auf den Rübenmäusen und dem Rübenroder – einer nicht minder imposanten Maschine, mit der die Feldfrüchte aus der Erde geholt werden – kämen Tablets und andere digitale Technik zum Einsatz. Über eine App oder am PC kann nicht nur Froböse jederzeit sehen, wo „Mäuse“, „Roder“ und Lkw gerade unterwegs sind – sondern auch die Zuckerfabrik. „Gerade für die Planung in der Fabrik ist es enorm wichtig zu sehen, wann sie mit den nächsten Transporten rechnen können“, erklärt Froböse.
Während der Tour sprechen Froböse und Stock auch über Herausforderungen und Probleme, mit denen die Landwirte heute zu kämpfen haben und über Ansprüche, die an sie gestellt werden. „Unser Ziel als Landwirte ist es, hochproduktiv zu sein, ohne das Nitratproblem zu erhöhen. Und in diesem Punkt ist die Zuckerrübe schon ein kleiner Künstler“, sagt Froböse. Er sei kein Freund davon, ökologische und konventionelle Landwirtschaft gegeneinander auszuspielen. „Ich bin überzeugt davon, dass sich beides annähern wird“, sagt Froböse. Eine immer größer werdende Belastung sei die Bürokratie, die er und andere Landwirte inzwischen zu erledigen hätten. Viele Dokumentationspflichten und Nachweise seien wichtig, betont Froböse. An der ein oder anderen Stelle würde er sich aber wünschen, wenn die von Behörden gestellten Anforderungen näher an der Praxis liegen würden – oder Genehmigungen auch online beantragt und abgewickelt werden könnten. „Ich glaube in Sachen Digitalisierung sind wir besser aufgestellt als manches Rathaus“, sagt Froböse und lacht.
Gewaltige Maschinen, höhere Effizienz, geringerer CO2-Abdruck
Wenn die voll beladenen Lkw die Zuckerrübenfabrik in Lage erreichen, werden sie dort zunächst gewogen und geben eine Art GPS-Fingerabdruck ihrer Ladung ab. Das ist wichtig, damit die Fabrik weiß, von welchem Feld die Rüben stammen und zu welchem Landwirt sie gehören. Währenddessen wird außerdem vollautomatisch eine Probe der Feldfrüchte genommen, die die Lkw geladen haben. Darüber wird unter anderem der Zuckergehalt bestimmt, was am Ende bei der Abrechnung wichtig ist. „Früher haben wir das alles mit Papier und Zettel gemacht. Heute hilft uns die Technik enorm weiter“, ergänzt er.
Insgesamt sei die Effektivität dank besserer Technik in den vergangen Jahren in der Landwirtschaft enorm gestiegen. In den vergangenen 30 Jahren sei der Ertrag mehr als verdoppelt worden. „Und das allein durch bessere Technik und ein besseres Management“, erklärt Froböse. Das gelte unter anderem für die Maschinen wie „Rübenmaus“ und „Roder“. „Die sehen zwar ziemlich gewaltig und monströs aus. Mit deren Hilfe bewältigen wir Ernte und Verladung aber zigfach schneller als wenn wir wie früher die Rüben mit Traktoren ernten und verladen müssten“, berichtet Froböse. „Und das verringert unseren CO2-Abdruck enorm.“ Durch ihre ausgefeilte Technik gelinge das heute auch wesentlich schonender für den empfindlichen Ackerboden. So fahre der Roder beim Ernten beispielsweise mit den Rädern versetzt und reguliere während der Fahrt den Reifendruck, um den Boden nicht über Gebühr zu beanspruchen. Die Fahrer dieser Maschinen müssen natürlich ein enormes Können und Geschick an den Tag legen.
Wertschätzung für regionale Produkte
„Ich bin wirklich beeindruckt, wie gut und effektiv Rübenanbau, Ernte und Produktion heute laufen und habe sehr großen Respekt vor der Leistung und der Bandbreite dessen, was Landwirte, Agrarexperten und Lohnunternehmer heutzutage wissen und können müssen“, sagt die Landtagsabgeordnete Ellen Stock. Der „Ottonormalverbraucher“ mache sich oftmals kaum Gedanken darüber, welche Leistung hinter dem Anbau von Lebensmitteln stecke und woher sie stammten. Die tiefen Einblicke seien auch für ihre politische Arbeit in Düsseldorf sehr wichtig, wo die SPD-Landtagsfraktion erst kürzlich ein neues Positionspapier Landwirtschaft erarbeitet hatte. „Dafür ist es wichtig, mit den Praktikern zu sprechen“, betont Stock. Mehr Wertschätzung für regionale Produkte und Vermarktung sei wichtig.