Wir müssen Deutschland attraktiver für Fachkräfte aus dem Ausland machen und nicht durch unmögliche Sprachanforderungen noch unattraktiver

Die Partei, die tagein, tagaus in den schwärzesten Farben die schrecklichen Auswirkungen der Migration auf unser schönes Deutschland beschreibt, findet jetzt Kurse überflüssig, in denen unser Rechtssystem und unsere Werte angesprochen werden. In dem Gebaren sehe ich einen Widerspruch. Wir weigern uns, die Maßnahmen zum Anwerben von qualifizierten Fachkräften mit dem Recht auf Asyl und den dazugehörenden Maßnahmen aufzurechnen oder zu vermischen.

Ellen Stock über „passende Sprachkurse“ für qualifizierte Zuwanderer im Landtag NRW auf Youtube

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Was für ein Antrag! Gespickt mit seitenlangen zweifelhaften Forderungen versucht er, einen Eindruck von Seriosität und Tatkraft zu vermitteln – vergebens.

Oberflächlich scheinen einige der Forderungen sogar sinnvoll. Bei näherer Betrachtung kommen indes erhebliche Zweifel auf. Wir bemerken im Prosateil zwei Dinge:

Erstens geht es im Kern wieder einmal darum, geflohene Menschen zu degradieren und deren berechtigte Interessen zu negieren. Gemessen wird der Mensch im Antragstext nur an seinem Wert für ökonomisches Wachstum und als Quelle des Wohlstands. Als Alibi müssen qualifizierte Fachkräfte herhalten.

Wir aber möchten, wollen und können den Menschen nicht am materiellen Wert und Nutzen für unsere Gesellschaft ausrechnen und dabei jegliche humanitären Gesichtspunkte außer Acht lassen.

Der Antrag unterstellt, die Landesregierung betreibe mit ihrer – ich zitiere – „Flüchtlingspolitik eine Politik der unqualifizierten Zuwanderung“. Sogar wir als Opposition müssen dazu sagen: Das ist infam.

Wir können und wollen Schutzsuchende nicht mit qualifizierten Fachkräften, die ja sogar dringend benötigt werden, vergleichen oder gar durch diese verdrängen. Im Antrag aber werden beide Themenfelder vermischt und gegeneinander ausgespielt.

Zweitens geht es in dem Antrag letztlich darum, Einwanderung nach Deutschland auch für qualifizierte Kräfte quasi unmöglich zu machen.

Wir bemerken beim Lesen der Einleitung sehr bald: So dringend möchte die AfD die Fachkräfte eigentlich gar nicht haben. Warum sonst schraubt sie die Anforderungen für die Deutschkenntnisse in eine derart aberwitzige Höhe?

Im Antrag heißt es nämlich stets, dass ein Sprachniveau von mindestens C1 erreicht werden müsse. „Mindestens C1“ – das ist eine Stufe unter „annähernd Muttersprache“.

Es ist uns durchaus klar, dass eine Fachkraft im technischen Bereich viele Fachausdrücke kennen muss. Allerdings wird in diesen Jobs regelmäßig auch die englische Sprache genutzt, mit der man durchaus regulär arbeiten kann.

Wenn wir aber in den Pflege- oder in den Baubereich schauen, dann stellen wir fest, dass dort ein gravierender Fachkräftemängel besteht. Es ist uns klar, dass ein Niveau von B2 oder vielleicht sogar B1 – was kein geringes Sprachniveau darstellt – durchaus ausreichend ist. B1 kommt dem, was wir im Alltag verwenden, sehr nahe. Die Fachbegriffe, die beispielsweise in der Pflege benötigt werden, lernt man in den entsprechenden Sprachfachkursen.

Wozu fordern Sie für Zuwanderer also ein höheres Niveau, als wir selbst es im täglichen Umgang nutzen? Ich sage es Ihnen: Sie wollen gar keine Zuwanderung – auch nicht von qualifizierten Fachkräften. Alles, was Sie hier veranstalten, um einen gewissen Eindruck zu erwecken, sind versteckte Versuche, Zuwanderung zu verhindern.

Sonst würden Sie nämlich auch nicht vorschlagen, dass Fachkräfte abends und am Wochenende Sprachkurse besuchen. Gerade in den Berufen, in denen Fachkräfte am dringendsten benötigt werden, wird häufig im Schichtdienst gearbeitet. Wie soll zum Beispiel eine Krankenschwester Abend- und Wochenendkurse schaffen?

Der Antrag bemängelt, das Niveau der Sprachkurse in den Integrationskursen des BAMF sei mit B1 zu niedrig. Gleichzeitig wird beklagt, die Orientierungskurse „Leben in Deutschland“ seien zu komplex. Der Antrag fordert, dass Inhalte wie deutsche Rechtsordnung, Geschichte, Kultur, Werte und vieles mehr in Eigenleistung erworben werden.

Ich fasse zusammen: Die Partei, die tagein, tagaus in den schwärzesten Farben die schrecklichen Auswirkungen der Migration auf unser schönes Deutschland beschreibt, findet jetzt Kurse überflüssig, in denen unser Rechtssystem und unsere Werte angesprochen werden. In dem Gebaren sehe ich einen Widerspruch.

Was für ein Antrag! Oder lieber: was für ein überflüssiger und unsinniger Antrag!

Wir weigern uns, die Maßnahmen zum Anwerben von qualifizierten Fachkräften mit dem Recht auf Asyl und den dazugehörenden Maßnahmen aufzurechnen oder zu vermischen.

Es ist müßig, zu erwähnen, dass die Integrations-und Sprachkurse hauptsächlich in der Verantwortung des Bundes liegen. Damit wird das Land relativ wenig Einfluss auf die gewünschten Änderungen haben.

Dass es bereits ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz gibt, in dem die Sprachförderung vor der Einreise geregelt ist, sollte allen hier bekannt sein. Das dort geforderte Sprachniveau ist im Übrigen B1.

Wir müssen Deutschland attraktiver für Fachkräfte aus dem Ausland machen und nicht durch unmögliche Sprachanforderungen noch unattraktiver. Deutschland hat es bei dem im Antrag erwähnten „Wettstreit um hochqualifizierte Spezialisten“ schwer; denn qualifizierte Kräfte kommen nicht gerne in ein gesellschaftliches Klima von Hass und Hetze, wie es die AfD seit Jahren systematisch im Land verbreitet. Das zeigen auch Erhebungen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.