Rede zum AFD-Antrag betreffend Rats-TV in NRW

Ehrenamtliche Kommunalpolitiker zu zwingen, sich und ihre Aussagen einer weltweiten Öffentlichkeit auszusetzen, birgt die Gefahr, dass die Bereitschaft sinkt, sich für ein Ehrenamt zur Verfügung zu stellen. Menschen in kommunalen Gremien sind nicht alle rhetorisch geschult. Sie dem potenziellen Spott der Internetöffentlichkeit per Gesetz auszusetzen, halten wir für falsch.

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ehrenamtliche unter dauerhafter Beobachtung in einem Internet, das nicht vergisst – ist dies eine zu hohe Belastung für das Ehrenamt oder mittlerweile ein Erfordernis, das dem Gebot der Transparenz geschuldet ist?

Der hier vorliegende Antrag sieht vor, Beratungen von Räten und Kreistagen digital zu veröffentlichen, also alle öffentlichen Sitzungen live im Internet zu streamen und diesen Stream ein Jahr lang abrufbar zur Verfügung zu stellen. Hier stoßen wir auf mehrere Problematiken.

In den Räten der Städte und Gemeinden sitzen ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker. Die meisten von ihnen sind keine Medienprofis. Die Angst, etwas Falsches zu sagen, sich mit einem Versprecher zu blamieren oder auf irgendeine Art und Weise bloßgestellt zu werden, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen negativen Einfluss auf die Diskussionskultur in unseren Räten und Kreistagen.

Es muss aber ganz deutlich zwischen hauptamtlichen Abgeordneten und ehrenamtlichen Kommunalpolitikern unterschieden werden. Noch einmal ganz deutlich: Ehrenamtliche sind keine Medienprofis. Hier geht es also nicht nur um die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen. Sicherheit und Persönlichkeitsrechte müssen für die Ehrenamtlichen auch im Internet gewahrt werden.

Schon jetzt äußern ehrenamtliche Kommunalpolitiker ihren Unmut über die gestiegenen Belastungen durch das Ehrenamt. Die fachlichen Herausforderungen steigen, die Kommunikationserwartungen der Bürgerschaft ebenso. Gleichzeitig sinkt der Respekt vor der von den Ehrenamtlichen geopferten Freizeit, und die Kritik an den getroffenen Entscheidungen wird teilweise mit harten Bandagen vorgetragen. Auch sogenannte Shitstorms nehmen zu.

Ehrenamtliche Kommunalpolitiker zu zwingen, sich und ihre Aussagen einer weltweiten Öffentlichkeit auszusetzen, birgt die Gefahr, dass die Bereitschaft sinkt, sich für ein Ehrenamt zur Verfügung zu stellen. Menschen in kommunalen Gremien sind nicht alle rhetorisch geschult. Sie dem potenziellen Spott der Internetöffentlichkeit per Gesetz auszusetzen, halten wir für falsch.

Mehrere Städte in Nordrhein-Westfalen übertragen ihre Ratssitzungen bereits im Internet. Dies bedeutet, dass die Kommunen eine Übertragung zulassen und somit möglich machen. Hier machen die Kommunen von ihrem hohen Gut der kommunalen Selbstverwaltung Gebrauch. Für die SPD gibt es keinen Grund, warum man den Kommunen mit einem Landesgesetz einen Streaming-Zwang auferlegen sollte.

Hier geht es nicht nur um die Frage der kommunalen Selbstverwaltung, sondern auch um eine konnexitätsrelevante Regelung. Das Land müsste für die Installierung und die Wartung der Technik finanziell aufkommen. Die Beschneidung der kommunalen Selbstverwaltung und der enorme Kostenaufwand für das Land bestärken uns in der Ablehnung dieses Vorhabens.

Sitzungen von Räten und Kreistagen sind grundsätzlich öffentlich. Jeder, der an der Debatte ein Interesse hat, kann dieser beiwohnen. Auch Protokolle über die abgehaltenen Sitzungen sind wahrscheinlich öffentlich einsehbar. Hier lässt sich wahrlich nicht von einer Intransparenz sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD steht dafür, dass Politik verständlich, nachvollziehbar und transparent sein muss.

Wir sind der Meinung, dass wir mit der derzeitigen Regelung, dass jede Kommune selbst darüber entscheiden kann, ob sie ihre Sitzungen live im Internetzeigen möchte, alle Möglichkeiten der Transparenz und öffentlichen Teilhabe selbstständig und ohne Bevormundung von oben sicherstellen. Öffentliche Rats- und Kreistagssitzungen sind keine nebulösen Hinterzimmerveranstaltungen. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat stets die Möglichkeit, am politischen Geschehen seiner Kommune live und in Person teilzunehmen.

Wenn darüber hinaus eine Transparenz in Form eines Internetstreams gewünscht wird, dann muss das im Einvernehmen der Beteiligten in den jeweiligen Kommunen erfolgen und nicht über eine verpflichtende Regelung aus Düsseldorf. Für die SPD besteht hier kein Regelungsbedarf. – Vielen Dank.