Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD bezieht sich auf zwei Zeitungsartikel, die einen Erlass des MKFFI ankündigen. Darin soll stehen, dass geduldete Personen in Nordrhein-Westfalen einen unbefristeten Aufenthaltsstatus auf Probe erhalten, sofern sie drei Jahre in Nordrhein-Westfalen leben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben, die deutsche Sprache lernen und straffrei geblieben sind. Dieser Aufenthaltsstatus auf Probe kann nach weiteren zwei Jahren in einen unbefristeten Aufenthaltsstatus münden und die Einbürgerung ermöglichen.
Der Erlass befindet sich offenbar in letzter Abstimmung und wird in naher Zukunft von Minister Stamp vorgestellt. Wohlgemerkt: in naher Zukunft. Wir reden hier also über ungelegte Eier, wie man so schön sagt.
Damit erübrigt sich bezüglich dieses Erlasses eigentlich auch jegliche Diskussion über die inhaltliche Ausgestaltung und die rechtliche Einschätzung. Lassen Sie mich trotzdem einige Worte dazu sagen.
Sowohl aus humanitärer als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist der Plan von Minister Stamp durchaus begrüßenswert. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden Auszubildende, Fachkräfte und sogar ungelernte Kräfte dringend benötigt. Der geplante Erlass ist einerseits eine Möglichkeit, integrierte Arbeitskräfte abzusichern und für unsere Volkswirtschaft zu erhalten. Andererseits bietet der Erlass eine Perspektive aus rein menschlicher Sicht; denn jahrelange Duldung ohne die Aussicht auf ein normales Leben und in der ständigen Angst, von heute auf morgen aus der Wohnung herausgerissen zu werden, bedeutet für die Betroffenen eine Riesenbelastung.
In Nordrhein-Westfalen leben rund 70.000 ausreisepflichtige Ausländer, davon 55.000 mit einer Duldung. Mehr als 10.000 Geduldete leben länger als acht Jahre in Nordrhein-Westfalen.
Es gibt viele Gründe, warum Menschen mit geringer Bleibeperspektive nicht abgeschoben werden können. Darunter fallen fehlende Kooperation, fehlende Bereitschaft der Herkunftsländer zur Ausstellung von Passersatzpapieren oder gesundheitliche Probleme.
Diese Menschen erhalten Kettenduldungen, die ihnen die Integration in den Arbeitsmarkt und damit in die Gesellschaft äußerst erschweren. Sie sind zu- Landtag 21.03.2019 Nordrhein-Westfalen 42 Plenarprotokoll 17/54 dem von Integrations- und Fördermaßnahmen ausgeschlossen. Dennoch schaffen es viele, in geregelte Arbeitsverhältnisse zu kommen und für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen.
Für den größten Teil der Geduldeten ist eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer nicht absehbar. Daher ist es folgerichtig, dass diesen Menschen in Deutschland wie auch in Nordrhein-Westfalen eine humanitäre und wirtschaftliche Perspektive gegeben wird.
Dass die AfD sich gegen diesen geplanten Erlass stellt, ist nicht weiter verwunderlich. Sie begründet dies mit der Fortführung ihrer altbekannten Argumente: offene Grenzen; alle Flüchtlinge wollen nach Deutschland; der Erlass bietet noch mehr Anreize, nach Deutschland zu kommen; Dublin III wird nicht umgesetzt; Nordrhein-Westfalen soll die Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und des Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung der Bundesregierung abwarten; usw. usf.
Bemerkenswert ist allerdings, dass hier nur aufgrund von Medienberichterstattung parlamentarische Initiativen gestartet werden. Da hätte man besser einmal abwarten sollen, bis der Erlass vorliegt, um die Pläne dann richtig einordnen zu können.
Aber was heißt „fachliche Beurteilung“ schon bei der AfD! Es geht Ihnen hier nicht um volkswirtschaftlichen Nutzen oder humanitäre Gründe. Nein, wie so oft versuchen Sie, Angst zu schüren, alte Ressentiments zu bedienen und Stimmung zu machen.
Den genauen Wortlaut des Erlasses kennen wir noch nicht. Aber die Ankündigungen von Minister Stamp klingen vernünftig und aus sozialdemokratischer Perspektive erwägenswert, wenngleich eine bundesweite Regelung dringend erforderlich ist.
Den unsachlichen, zur Unzeit kommenden und mit unerträglichen Stereotypen gespickten Antrag der AfD lehnen wir jedoch mit Entschiedenheit ab. – Vielen Dank.