„Meine Devise ist: Zuhören, verstehen, handeln! und so ist es auch nicht mein erstes Tagespraktikum. Eigentlich verbringe ich eher im Hosenanzug gekleidet 10-12 Stunden im Plenumsaal in Düsseldorf, doch heute mal ganz ungewohnt in Jeans und T-Shirt eine Schicht in der Pflege“ sagt MdL Ellen Stock.
Es ist 7.00 Uhr morgens und Dennis Ostmann, Wohnbereichsleitung auf Wohnbereich 3, ist schon fast eine Stunde im Dienst als die Politikerin den Wohnbereich betritt. „Ich wäre auch schon um 6.00 Uhr gekommen“ sagt sie lächelnd.
Die Schicht beginnt für die Pflegefachkräfte um 6.15 Uhr morgens, die Übergabe mit der Nachtwache erfolgt, das Team bespricht sich und startet gemeinsam in den Tag. Der Wohnbereich 3 des Evangelischen Stiftes zu Wüsten ist ein besonderer Wohnbereich: Hier werden Menschen mit demenziellen Veränderungen und sogenannten Hinlauftendenzen gepflegt. Hinlauftendenzen können im Zuge einer Demenz auftreten. Die Betroffenen haben den Wunsch z.B. frühere Wohnorte oder Personen , die oftmals bereits verstorben sind wie die eigenen Eltern, aufzusuchen und sind auch physisch in der Lage die Pflegeeinrichtung zu verlassen und weite Strecken zurück zu legen, dabei fehlt ihnen die Orientierung und sie könnten nicht zurück finden. Im beschützten Wohnbereich leben weniger Menschen zusammen als auf anderen Bereichen im Stift, dafür werden sie von der gleichen Anzahl an Mitarbeitern gepflegt, so kann dem erhöhten Pflege- und Betreuungsaufwand etwas entgegen gekommen werden.
Als wenn die Bewohner den neuen Gast bemerkt hätten, öffnen sich fast zeitgleich viele Zimmertüren. Zwei Pflegekräfte begrüßen einen besonders unruhigen Bewohner. Die Lagenserin Ellen Stock geht mit und schaut zu. Während die eine Pflegekraft sich ans Bett stellt, den Bewohner freundlich begrüßt und anfängt mit ihm zu singen, wäscht die zweite Pflegekraft den Bewohner. „Durch die Biographie des Bewohners, haben wir einen Weg gefunden ihm die morgendliche Pflege so angenehm wie möglich zu machen. Er hat immer in einem Chor gesungen. So kommen manchmal zwei Pflegekräfte zu einem Bewohner. Wir selber stellen diesen Anspruch an uns und versuchen Alles, den Bedürfnissen und Wünschen der Bewohner mit Würde nachzukommen“ erklärt Dennis Ostmann.
Ellen Stock schaut überall genau hin, darf einen Bewohner einmal versuchen im Bett zu positionieren, schaut mit lachenden Augen zu, als die Therapiepuppe „Susi“ die Bewohner strahlen lässt und reicht zur Mittagszeit in der Wohnküche essen an. „Ich bin nicht der geduldigste Mensch. Das war eine große Herausforderung für mich“ sagt sie. „Einige Bewohner benötigen 30-45 Minuten um ihre Mahlzeiten mit Hilfestellung zu sich zu nehmen. Das wichtigste ist, dass man selber ruhig ist, denn wenn ich unruhig werde, übertrage ich dies direkt auf den Bewohner. Natürlich entsteht auch in solchen Situationen ein innerlicher Zeitdruck, aber das darf ich niemals nach außen tragen“ erklärt Dennis Ostmann.
Auf den Wohnbereichen im Stift sind verschiedene Berufsgruppen im Einsatz: Es gibt neben den Pflegefachkräften, Pflegehelfer noch Wohngruppenbegleiter, Wohngruppenhilfen, Betreuungskräfte, Sozialdienstmitarbeiter, Auszubildende und Jahrespraktikanten. Alle arbeiten als Team zusammen für die Bewohner ihres Bereiches. Durch die Einführung von Wohngruppenhilfen im Stift (Mitarbeiter die nur stundenweise eingesetzt werden) konnte z.B. das Essen anreichen unterstützt werden.
Frau Stock bemerkt schnell ein Kernproblem: „Jeder erwartet die perfekte Versorgung und die Erwartungen an die Pflege werden stetig höher, aber auf der anderen Seite wird das Personal nicht angepasst. So entsteht ein gefährliches Ungleichgewicht“ merkt Frau Stock an.
Zum Abschluss der Schicht treffen sich der Sozialpflegerische Vorstand Christoph Fritsche, Pflegedienstleitung Rita Kühn sowie Wohnbereichsleitung Dennis Ostmann auf eine Tasse Kaffee. Nach der Frage, was Sie von dem Tag mit nach Hause nimmt, antwortet sie: „Die Frage, wer sich um die Pflegekräfte kümmert, die jeden Tag alles geben und den Rat an alle die diesen tollen Beruf einmal erlernen möchten, dass man dies nicht halbherzig, sondern nur mit ganz viel Herzblut verrichten kann. Hier gilt wirklich: Beruf = Berufung!“