Ist die Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes in NRW verfassungskonform?

Das Urteil von Sachverständigen über den Gesetzentwurf ist nicht positiv ausgefallen. Wir behalten uns vor, die Verfassungsmäßigkeit der geplanten Gesetzesänderung prüfen zu lassen, und lehnen den Gesetzentwurf sowie den Änderungsantrag ab.

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Als wir im September 2018 hier bei der ersten Lesung dieses Änderungsgesetz debattiert haben, habe ich zwei Punkte besonders deutlich gemacht.

Erstens. Abschiebehaft ist keine Strafhaft. Die Untergebrachten dürfen demnach auch nicht wie Straftäter behandelt werden. Abschiebehaft stellt das allerletzte Mittel zur Sicherung der Ausreisepflicht dar.

Zweitens. Wir müssen den Gesetzentwurf in einer Sachverständigenanhörung noch genauer unter die Lupe nehmen und viele Stellen auf ihre rechtliche Belastbarkeit hin prüfen.

Mittlerweile haben wir eine umfangreiche Anhörung von Sachverständigen durchgeführt. Zusammenfassend kann man sagen: Das Urteil der Sachverständigen über den Gesetzentwurf ist nicht positiv ausgefallen.

Zu viele Punkte sind strittig und so nicht tragbar.

Kommen wir aber zunächst zu den positiven Aspekten des Gesetzentwurfs.

Generell ist zu begrüßen, dass im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen noch einmal am Beschwerdemanagement nachgebessert wird. Trotzdem bleibt dieser Punkt immer noch unzureichend; denn die Sorgen und Nöte der Untergebrachten sollen nicht nur ausschließlich dem Einrichtungsleiter und dem Beirat zugetragen werden.

Außerdem begrüßen wir, dass das geplante Zugangsverfahren – aufgrund dessen nicht nur eine Gefährdungseinschätzung stattfindet, sondern auch Maßnahmen für das Erkennen von persönlichen Bedarfen ergriffen werden – und die besondere Schutzwürdigkeit von Untergebrachten einen höheren Stellenwert erfahren sollen. Allerdings können die vorgesehenen Verfahrenszeiten von bis zu einer Woche bei den Menschen, die separiert werden, doch Probleme aufwerfen. Hier müssen wir im Zweifel den Einzelfall prüfen.

Insgesamt kommen jedoch viele der angehörten Sachverständigen zu dem Schluss, dass der Gesetzentwurf deutliche Fragen zur Rechtssicherheit aufwirft. An vielen Stellen sind geltendes Recht und geltende Richtlinien dem entgegengestellt. Der Entwurf betont stark den Wunsch nach Sicherheit und Ordnung, versäumt aber an vielen Stellen, die Rechte der Betroffenen zu sichern.

Insbesondere die vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen sehen wir kritisch, zumal uns immer noch keine Details darüber vorliegen, wie sie im Einzelfall ausgestaltet sein sollen.

Darüber hinaus können neben Gewalttätern auch weitere Personen von Ordnungsmaßnahmen betroffen sein. Das ist ebenfalls nicht kritiklos hinzunehmen. Denn generell sollten Disziplinar- und Ordnungsmaßnahmen ausschließlich in extremen Fällen zum Einsatz kommen. Diese eingeschränkten Ordnungsmaßnahmen müssen in jedem Einzelfall notwendig und verhältnismäßig sein.

Auch verunsichern die fehlende klare Strategie und die fehlende sachliche Aufklärung über die anzuwendenden Ordnungsmaßnahmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung. Es fehlt die Handlungssicherheit für die Bediensteten.

Die Intention, die Gefahrenabwehr zu stärken, können wir zwar nachvollziehen. Dennoch muss sie auf dem Boden geltender Bestimmungen geschehen und darf sich nicht zum Nachteil eines Großteils der Betroffenen auswirken. Und ob dieses Gesetz überhaupt der richtige Ort für die angestrebte verbesserte Gefahrenabwehr ist, sei dahingestellt.

Wir behalten uns vor, die Verfassungsmäßigkeit der geplanten Gesetzesänderung prüfen zu lassen, und lehnen den Gesetzentwurf sowie den Änderungsantrag ab. – Vielen Dank.